Den würde ich glatt mit nach Hause nehmen!
Drei Auftritte im Spiegelzelt beim Festival RuhrHOCHdeutsch liegen hinter mir, und es war wieder zauberhaft. Es ist ja schon toll, angesagt zu SEIN, aber auch angesagt WERDEN kann schön sein, jedenfalls wenn Horst Hanke-Lindemann, der Prinzipal des Festivals, Elder Statesman der Dortmunder Kulturszene, Italienliebhaber, Weintrinker und Model für schwarze Hemden das erledigt.
Die Technik lag wieder in den bewährten Händen von Janine - bei der sich jemand wie ich auch mal lächerlich machen darf, ohne dass gleich jeder davon erfährt. Der Bereich hinter dem Zelt ist mit Gittern abgesperrt, die an einer Stelle nur durch ein Fahrradschloss gesichert sind, für das der Künstler natürlich gerne die Zahlenkombination bekommt. Zwei Abende lag musste ich die nicht anwenden, weil beide Mal gerade etwas angeliefert wurde, aber gestern stand ich vor der Herausforderung, mir selbst Zutritt zu verschaffen. Ich gab die Nummer ein und zerrte an dem Verschluss. Irgendwie wunderte ich mich mich nicht, dass es nicht funktionierte, denn die Verweigerung der Materie gegenüber meinem Wünschen und Wollen zieht sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Minutenlang machte ich an diesem verdammten Teil herum, wobei ich sehr ungeschickt immer wieder die Zahlen verstellte und sie neu einrichten musste. Schließlich gab ich auf und machte den notwendigen erniedrigenden Anruf: „Du, Janine, hier ist der Frank, ich stehe hinterm Zelt und bekomme das Fahrradschloss nicht auf. Habt ihr die Kombination geändert?“ - „Bin gleich da“, bekam ich zur Antwort, was als höfliches „Nein“ zu werten war. „Guck mal“, sagte Janine, als sie auf der anderen Seite des Gitters stand, „hier ist so ein Knopf auf den muss man drauf drücken, dann geht es ganz leicht.“ Ich war mir ganz sicher, dass dieser Knopf kurz zuvor noch nicht da gewesen war, aber das behielt ich lieber für mich.
Außerdem wurde ich dann vom neuesten Mitglied der Spiegelzelt-Belegschaft begrüßt, einem Terrier namens Anton, der so verdammt süß ist, dass er sogar in China Urlaub machen könnte, ohne Gefahr zu laufen, in einem Wok zu landen. Der Versuch, Anton zu fotografieren, wie er in Habacht-Stellung mit einer gehobenen Pfote dastand, scheiterte daran, dass Janine im falschen Moment einen Nage-Knochen ins Spiel brachte.
Beim RuhrHOCHdeutsch-Festival tut man alles, um dem Künstler zu versichern, dass er ein toller Hecht ist, damit er mit einem guten Gefühl auf die Bühne gehen kann. Zum Beispiel setzt man auf die motivierende Kraft eines it Pop-Art bedruckten Duschvorhangs, auf dem eine Brünette mit Haarreif denkt: „He’s gorgeous!“ Und ein dynamischer Kerl mit kantigem Kinn stell fest: „Got her!!!“ Zwei Minuten vor dem Auftritt drauf gucken bringt das Testosteron so richtig auf Touren.
Ich bin schon oft im Spiegelzelt aufgetreten, aber erst gestern ist mir aufgefallen, dass die kleine „Terrasse“ vor meiner Garderobe direkt hinter der Damentoilette liegt, und dass man manchmal mitbekommt, was im Durchgang geredet wird. Gestern durfte ich davon ausgehen, dass eine Besucherin sich im ersten Teil meiner Show durchaus amüsiert hatte, und das in die anerkennenden Worte kleidete: „Hach, den würde ich glatt mit nach Hause nehmen!“ Überflüssig zu erwähnen, dass ich damit damit den zweiten Teil begonnen habe und die entsprechende Dame bat, sich nach der Show doch bitte bei meiner Frau zu melden.
Nach der Zugabe, dem Signieren und dem Geplauder mit einer alten Schulfreundin, passte mich auf dem Weg in die Garderobe eine braun gebrannte Sechzigjährige ab: „Hömma, ich bin die aus der Pause.“ Oh Gott, dachte ich, will die mich jetzt wirklich mit nach Hause nehmen? „Ich wollte nur sagen: Überschätz dich nicht, ich meinte den Köter, der hier rumläuft.“
Das ist das Tolle am Kontakt zum Publikum: Man wird geerdet.