Eine Pause für die Bipolaren
Neulich war mal wieder „Länderspielpause“, und es spricht ja schon Bände, dass damit nicht eine Pause zwischen zwei Länderspielen gemeint ist, sondern die Unterbrechung des Ligabetriebs zwecks Abhaltung von Ländervergleichen zur Ermittlung des Teilnehmerfeldes eines internationalen Turniers. Manche Länderspiele finden aber auch nur so aus Daffke statt, die heißen dann „Freundschaftsspiele“, ein Wort, über das jeder Fußballfan nur lachen kann, denn eigentlich geht es doch in jedem Spiel um alles.
Wie gesagt, in dem Wort „Länderspielpause“ steckt schon drin, dass es beim gemeinen Länderspiel (außerhalb von WM oder EM) nicht um den eigentlichen Fußball geht, sondern dass der dann pausiert. Das ist aber auch ganz erholsam. Du gehst ganz anders in so ein Wochenende, wenn du weißt, dein Verein kann dich in den nächsten Tagen nicht enttäuschen. So was dient letztlich der Volksgesundheit. Wir sind doch alle ein bisschen krank, wenn es um unseren Verein geht.
Als meiner, der VfL Bochum, kürzlich in Aue schon in der zweiten Minute das 1:0 erzielte, brüllte der Kollege, mit dem ich das Spiel in meinem Fußballkeller verfolgte: „Ich habe doch gesagt: Die steigen auf!“, nur um beim Ausgleich zwei Minuten später wutentbrannt zu heulen: „Absteiger!“ Der echte Fußballfan leidet ganz klar an einer bipolaren Störung und kann die Stimmungen im Minutentakt wechseln. Spiele wie das 5:4 der Blauweißen vor ein paar Wochen gegen Nürnberg werden von den meisten als fahrlässige Anschläge auf ihre persönliche Gesundheit gesehen. Dass der VfL am Ende noch gewann, verschafft denen, die das immer wieder mitmachen, keine echte Erleichterung. „Die wollen mich fertig machen!“, stöhnte mein Kumpel Scotty noch am Tag nach dem Match. „Und weißt du was? Sie schaffen es!“
Tatsächlich glauben viele, dass alledem ein teuflischer Plan innewohnt, als sagten sich die Vereinsverantwortlichen: „Hey, heute ist die Selbsthilfegruppe Anonymer Bypass-Patienten im Stadion, lass uns bis zur Halbzeit auf ein Drei zu Drei spielen!“ Das ist natürlich Unsinn. Meistens geht es gar nicht um Sie oder Ihre Freunde. Meistens geht es um mich. Beim Nürnbergspiel WUSSTEN die Spieler, dass ich nicht im Stadion sein, sondern krank vor der Glotze liegen würde. Im Minutentakt wurde hin und her geworfen zwischen Verzweiflung und Euphorie - und danach ein Fall für die Klapse.
Und wie der Urlaub den Arbeitnehmer wieder fit machen soll für den Produktionsprozess, so soll die Länderspielpause den Fußballfan in die Lage versetzen, demnächst im Liga-Wahnsinn wieder seine „Leistung abzurufen“. Eigentlich unverständlich, dass wir dafür bezahlen, anstatt dafür Geld zu BEKOMMEN. Letztlich sind wir Medikamententester, die das mit den Risiken und Nebenwirkungen immer wieder überhören.
Bis Weihnachten ist nur noch eine Länderspielpause. In der Klapse heizen sie vorsichtshalber schon mal den leer stehenden Ostflügel vor.